Nicht neu ist, dass flexible Arbeitszeiten häufig zulasten der Beschäftigten gehen. Die Folgen für Frauen sind jedoch andere als für Männer - dies zeigt eine neue Untersuchung, erstellt von Dr. Yvonne Lott, finanziert von der Hans-Böckler-Stiftung. Untersucht wurde, welche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Arbeitszeitmodellen, Verhalten und Arbeitsbelastungen von Frauen und Männern bestehen. Betrachtet wurden nur Frauen und Männer, in deren Haushalt mindestens ein minderjähriges Kind lebt.
Einen Freizeitgewinn mit flexiblen Arbeitsarrangements gibt es weder für Mütter noch für Väter: Frauen, die im Homeoffice oder zu selbstgewählten Stunden arbeiten, kümmern sich bis zu drei Stunden wöchentlich mehr um ihre Kinder als Frauen, die einen unflexiblen Arbeitstag haben. Und: darüber hinaus arbeiten die Frauen im Home-Office auch noch eine Stunde in der Woche mehr.
Weitere Ergebnisse.der Studie sind:
- Für Homeoffice-Arbeitende ist es schwerer abends abszuchalten. Die Wahrscheinlichkeit liegt mehr als doppelt so hoch wie bei Büro-Beschäftigten. Die Grenzen zwischen den Lebensbereichen Arbeit und Privat verschwimmen leichter.
- Bei frei bestimmbaren Arbeitszeiten fällt das Abschalten im Homeoffice schwerer als bei festen Zeiten. Dieser Effeklt war aber interessanterweise nur bei Männern zu beobachten. Die Autorin vermutet, dass gerade Männer dazu neigen, ohne vorgegebene Grenzen übermäßig lange zu arbeiten. Frauen seien hingegen „typischerweise geübtere Grenzgängerinnen“ als Männer, so Lott. Sie nutzen die zeitliche Flexibilität statt für Überstunden eher, um Haus- und Sorgearbeit mit dem Job unter einen Hut zu bringen.
- Mit selbstbestimmten, aber immer noch geregelten Arbeitszeiten, etwa Gleitzeit, fühlen sich Beschäftigte nicht übermäßig mehr belastet. Sie können zudem besser mit hohem Arbeitsdruck umgehen, was sich positiv auf die Work-Life-Balance auswirkt. Dies gilt aber wiederum nur für Männer.
- Ein unveränderlicher Arbeitsbeginn und eine festes Ende des Arbeitstages können mit anderen Verpflichtungen kollidieren, die sich etwa aus den Abholzeiten von Kindergärten ergeben. Andererseits bieten klare Regeln Planungssicherheit, was Stress reduziert.
- Die psychische Belastung bei unvorhersehbaren Arbeitszeiten, die vom Arbeitgeber kurzfristig geändert werden ist hoch - vor allem für Frauen. Unvorhersehbare Dienstzeiten erschweren die Planung des Alltags enorm, worunter vor allem diejenigen leiden, die traditionell den größeren Teil der Haus-, Pflege- und Erziehungsarbeit übernehmen. Besonders ausgeprägt ist der Stress in Kombination mit hohem Arbeitsdruck.
Die Expertin sieht daher eine weitere Deregulierung der Arbeitszeitbestimmungen äußerst kritisch. Neben den negativen Konsequenzen für die Work-Life-Balance verschärften eine Arbeitszeitautonomie auch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Lott spricht vom „Risiko der Traditionalisierung von Partnerschaften“.
Dennoch hält sie noch mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit grundsätzlich für vertretbar. Es müsse aber klare Regeln geben: zeitliche Obergrenzen, Zeiterfassung, realistische Vorgaben für das Arbeitspensum, genug Personal und Vertretungsregeln. Fortbildungen in „Grenzmanagement“ für Beschäftigte und Vorgesetzte seien ebenso notwendig wie verlässliche Dienst- oder Schichtpläne und eine Sensibilisierung aller Beteiligten für die geschlechtsspezifischen Folgen flexibler Arbeitsarrangements.
Wenn diese Voraussetzungen nicht nur im Betrieb, sondern auch beim mobilen Arbeiten oder im Homeoffice gegeben sind, könnten durchaus neue Spielräume für selbstorganisiertes Arbeiten geschaffen werden – zum Beispiel durch ein Recht auf Homeoffice, das bislang ein Privileg einzelner Beschäftigtengruppen und vielen Arbeitnehmerinnen nicht gestattet ist.
Weitere Informationen: Yvonne Lott: Stressed despite or because of flexible work arrangements?, Working Paper Forschungsförderung Nr. 046, Juli 2017 (PDF-Download)
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