Sie sind hier:

Sprachassistenten: Wenn ich könnte, würde ich erröten...

Frau mit Megafon

Foto: Clem Onojeghuo - Unsplash

...  das war bis vor Kurzem die Antwort von Siri, der weiblichen Stimme des Sprachassistenten von Apple auf ein Kompliment (oder eine sexistische Beschimpfung).

Die meisten Sprachassistenten haben Frauenstimmen. Sie sind hilfsbereit freundlich und unterwürfig.So kann es schnell passieren, dass Nutzer*innen sich ein weibliches Gegenüber mit bestimmten Charaktereigenschaften vorstellen, auch wenn es sich in Wirklichkeit um eine künstliche Intelligenz (KI) und große Datenmengen handelt.

EIne aktueller Bericht der Unesco für die Equals Skills Coalition – einem Zusammenschluss für mehr Chancengleichheit in der Technologiebranche - beschäftigt sich mit Geschlechtergerechtigkeit im Bereich des Digitalen. Analysiert werden die Zusammenhänge von Genderfragen und KI. Darüber hinaus werden Empfehlungen gegeben, wie diese in Zukunft gerechter gestaltet werden kann.

Siri, Cortana, Alexa und Google Assistant hatten bei ihrer Veröffentlichung alle ausschließlich eine weibliche Stimme. Ausnahmne bilden bestimmte Sprachversionen von Siri: Auf Arabisch, Französisch, Niederländisch und in Britischem Englisch ist die männliche Stimme die Standardeinstellung (ohne offizielle Erklärung).

Viele Menschen empfinden weibliche Stimmen als angenehm, mitfühlend und hilfsbereit. Der Assistent erfüllt eine Rolle, die traditionell Frauen und Mädchen zugeschrieben wurde. Von ihnen wurde erwartet, dass sie Anweisungen befolgen und dabei immer höflich bleiben. Dieses tradierte Rollenverständnis lebt im Sprachassistenten als digitaler Dienerin fort.

Demgegenüber sprechen Navigationssysteme häufiger mit einer männlichen Stimme. Das Navi kennt sich bestens aus mit Karten und gibt Anweisungen, was zu tun ist. Hier kommt ein klassisch männliches Rollenverständnis zum Ausdruck. Die Verknüpfung einer weiblichen Stimme mit Eigenschaften wie Geduld und Unterwürfigkeit und mit wenig komplexen Antworten kann diese in der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu „weiblichen“ Eigenschaften machen. Auch ist noch vollkommen unklar, wie sich Sprachassistenten langfristig auf das Rollenverständnis und Verhalten von Kindern auswirken.

Dass eine männlich dominierte Branche auch KI aus einer spezifisch männlichen Perspektive programmiert, ist wenig erstaunlich. Das Ergebnis ist ein Sprachassistent, der an männlichen Vorstellungen und Bedürfnissen ausgerichtet ist. Hinzu kommt, dass auch die riesigen Datensätze, mit denen eine KI trainiert wird, bereits Vorurteile enthalten.

Ein Test von 2017, wie die vier großen Sprachassistenten auf sexuelle Belästigung antworten, ergab: In vielen Fällen reagierten diese ausweichend oder humorvoll, bedankten sich gar für eine Beleidigung oder gaben eine flirtende Antwort. Inzwischen sind einige der kritisierten Reaktionen aus dem Repertoire der Sprachassistenten verschwunden.

So gibt es bereits eine synthetische, genderneutrale Stimme für Sprachassistenten: Sie heißt Q und wurde auf Grundlage der Stimmen mehrerer Menschen geschaffen, die sich als nicht-binär, also weder männlich noch weiblich, identifizieren.

Der Unesco-Bericht enthält viele Ideen und Empfehlungen für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Bereich der KI - darunter mehr Forschung zu Gender-Aspekten, vielfältigere Entwickler-Teams und Accountability-Mechanismen, die Entwicklung eines „Maschinen-Geschlechts“ als eine Möglichkeit gegen Rollenklischees.